Lernwirksame Aufgaben im Fern- und Präsenzunterricht:
Fernunterricht bietet Chancen, wenn es gelingt, die Lernenden mit packenden Lernaufgaben für das Lernen zuhause zu begeistern. Welches sind die Kriterien für motivierende Aufgabenstellungen, die im Präsenzunterricht und besonders auch im Fernunterricht nachhaltige Lernerlebnisse ermöglichen?
Einleitung: Lernwirksame Aufgaben im Präsenz- und Fernunterricht
Für erfolgreiches Lernen im Fernunterricht helfen einige wichtige Grundsätze, die auch für guten Präsenzunterricht gelten. Im zentralen Blickpunkt stehen dabei die Lernaufgaben und die Auftragserteilung durch die Lehrpersonen. Gute und reichhaltige Lernaufgaben sind auch im Fernunterricht die Vitamine für nachhaltiges und motivierendes Lernen. Verständliche und klare Aufgabenstellungen, die den Lernhunger der Kinder und Jugendlichen stillen, sind die Grundlage, damit diese möglichst selbstständig mit Lernen starten.
Selbstständiges und eigenverantwortliches Lernen gelingt, wenn die Lehrpersonen die Verantwortung für das Lernen immer mehr den Lernenden überlassen. Dies geschieht mit einer schrittweisen Hinführung
zur selbstständigen Lernorganisation mit Planung und Einteilung der Lernzeiten, Ziele setzen und abschliessender Reflexion nach den Lernphasen. Die Lehrpersonen stellen den Lernenden dazu passende Werkzeuge wie Lerntagebücher, Lernjournale und Reflexionsbogen zur Verfügung. Auch im Fernunterricht unterstützen die Lehrpersonen mit regelmässigem Feedback die Lernenden.
Lernjournale und Lerntagebücher werden von vielen Lehrpersonen als Mittel eingesetzt, um Schülerinnen und Schüler zum Nachdenken über ihren Lernprozess und ihre Lernresultate anzuregen. Sie schaffen Schreibanlässe, machen Lernleistungen sichtbar und fördern den Aufbau von kognitiven und metakognitiven Lernstrategien.
Motivierende Aufgaben stellen
Im Fernunterricht sind die Kriterien und Qualitäten von Aufgabenstellungen, die ein nachhaltiges Lernen ermöglichen sollen, sehr bedeutsam, da die unmittelbare und direkte Lernbegleitung erschwert und nicht in allen Phasen möglich ist. Wo im Präsenzunterricht eine achtsame Lehrperson vielleicht Einstiegshilfen, zusätzliche Erklärungen oder direkte Feedbacks geben kann, die den Lernenden im Lernprozess unterstützen, ist es im Fernunterricht primär wichtig, dass die Lernenden selbst den Weg in und durch den Lernprozess finden.
Als erstes wichtiges Kriterium wecken die Aufgabenstellungen für den Fernunterricht das Interesse, die Neugier und den Lernhunger der Schüler*innen. Eine hohe Motivierung ist entscheidend, dass die Lernenden im Fernunterricht ihre Aufgaben anpacken. Motivation gelingt mit Aufgaben, die einen Bezug zur Lebenswelt vermitteln und sich durch Handlungs- und Alltagsnähe auszeichnen. Für solche Aufgaben sind Fragen aus der Lebenswelt der Lernenden das Elixier, sie beziehen die Umwelt der Lernenden mit ein, sind lebensnah und aus den Augen der Lernenden sinnhaft und bedeutsam. Es ist aus der Neurobiologie bekannt, dass Interesse und Motivation an Aufgaben im Gehirn eine erhöhte und gezielte Aufmerksamkeit auslösen, die Grosshirnrinde für das Lernen bereit machen und eine tiefe Verankerung des Gelernten im Langzeitgedächtnis fördern. In der Hirnforschung wurde auch gut bewiesen, dass die Emotionen beim Lernen mit der Gedächtnisleistung positiv korrelieren. Emotionen werden bei den Lernenden dann ausgelöst, wenn die Aufgabenstellungen mit der Lebenswelt der Lernenden verknüpft werden können.
Es ist sehr zentral, dass die Aufgaben für Lernenden herausfordernd und anspruchsvoll sind, damit diese zu einer kreativen Auseinandersetzung mit dem Lerngegenstand und zu einer kognitiven Aktivierung führen. Dies gelingt mit Aufgaben, die offenes und entdeckendes Lernen, tiefe Verarbeitung und vielfältige Betätigung ermöglichen (Verstehen durch Verarbeitungstiefe).
Sketchnote von Beatrix Winistörfer
Herzlichen Dank für die Publikationserlaubnis! beatrix-winistoerfer.ch
Die Offenheit bei den Aufgabenstellung zeigt sich durch wenige Vorgaben, unterschiedliche Lösungsmöglichkeiten und nicht vorweg genommenen Ergebnissen aus. Sie stacheln den Forscher*innengeist der Lernenden an und beschränken sich nicht nur auf reines Reproduzieren, sondern verknüpftes und vertieftes Handeln und Gestalten.
Indem Sie Interessen der Lernenden aufgreifen und Aufgaben kreieren, die an deren Vorwissen und Lebenswelt anknüpfen, ermöglichen Sie eine hohe Differenzierung der Aufgabenstellungen. Wenn Sie weiter darauf achten, dass vielfältige Bearbeitungsmöglichkeiten mit differenzierten Anforderungsstufen und Anspruchsniveaus möglich sind, bieten Sie sowohl für lernschwächere wie auch lernstarke Schüler*innen motivierende Lerngelegenheiten. Die Differenzierung der Aufgaben zeigt sich auch im unterschiedlichen Zeitbedarf und Umfang. Durch adaptive Unterstützung erfolgt die Lernbegleitung nach den unterschiedlichen Bedürfnissen der Lernenden.
Intelligente Lernaufgaben
- zielen auf Verarbeitungstiefe und damit auf nachhaltigen Kompetenzerwerb,
- weisen ein hohes Mass an individueller Bedeutsamkeit auf und fordern Verbindlichkeit ein,
- schaffen vielseitige Kooperationsanlässe,
- ermöglichen eine unterstützende Interaktion,
- beinhalten formative Formen der Leistungsbeurteilung.
Sich selbst Aufgaben stellen: Aufträge werden dann besonders lernwirksam, wenn man sie sich selbst gibt. Fragen Sie Ihre Schüler*innen nach deren Ideen für eigene Aufgaben und spannende Projekte, die sie gerne angehen möchten. Viele Lernende können viel mehr als wir Ihnen zutrauen, sofern Sie (sich) vor Aufgaben stellen, an denen sie wirklich interessiert sind und die für sie zu einem persönlichen Challenge werden. Ein wichtiger Schritt dabei ist es, zu den einzelnen Lernschritten klare Ziele zu formulieren. Das hier vorgestellte Instrument «Smarties» unterstützt die Schülerinnen und Schüler dabei.
Portfolios und Lerndokumentationen
Ein Portfolio ist eine zielgerichtete Sammlung von Arbeiten, welche die individuellen Bemühungen, Fortschritte und Leistungen der Lernenden auf einem oder mehreren Gebieten zeigt. Die relevanten Arbeiten werden gesammelt, denn sie enthalten meist wichtige weiterführende Informationen. Die aussagekräftigsten Lernnachweise kommen dann in ein Kompetenzportfolio. Dieser «Vorzeigeordner» kann auch und besonders beim Lernen zu Hause für eine Sammlung persönliche Lernprojekte eingesetzt werden, zum Beispiel für:
Eine kleine Auswahl von Selbstlernprojekten, die überall aus dem Nährboden der freien Zeit und der langen Weile schiessen! Für uns eine der eindrücklichsten (Wieder-)Entdeckungen aus dem translokalen Kooperieren und Lernen: die Kraft und Freude, die aus dem autodidaktischen Lernen kommt.
Zusammenarbeit und Kooperatives Lernen fördern
In Zeiten des «social distancing» werden digitale Medien für das «social connecting» umso wichtiger. Damit die Lernenden im Fernunterricht nicht vereinsamen, helfen kooperative Aufgabenstellungen, die von den Schüler*innen als Partner*innen-Arbeit oder in Kleingruppen gelöst werden. Die digitale Vernetzung ermöglicht trotz räumlicher Distanz auch wirkungsvolle Zusammenarbeit. Lernnachweise können gegenseitig ergänzt und zu einem Gruppenprodukt erweitert werden, Aufgaben können durch die Schüler*innen gegenseitig korrigiert werden oder bei Fragen sind Klassenkolleg*innen die ersten Ansprechpersonen.
Die Videokonferenzsoftware ZOOM ermöglicht mit dem Zusatz von Breakout-Räumen in gemeinsamen Konferenzen Phasen für den Austausch unter den Schüler*innen, für kooperative Zusammenarbeit und Gruppenarbeiten.
So kann sogar ein sehr lernwirksamer Rollenwechsel von den Lernenden zu den Lehrenden erfolgen: Schülerinnen und Schüler gestalten kleinere Unterrichtssequenzen gleich selbst und sorgen für weitere Vielfalt im Fernunterricht.
Sketchnote von Beatrix Winistörfer
Herzlichen Dank für die Publikationserlaubnis! beatrix-winistoerfer.ch
Tagebucheintrag von Simon R., 1. Klasse (mit Muttersprache Französisch) nach einem Zoom-Meeting.
Herzlichen Dank an Simon und seinen Eltern für die Publikationserlaubnis!
Digitale Gruppenarbeiten: Wie führt man Gruppenarbeiten im #digifernunterricht durch? Im Video stellt Philippe Wampfler drei Möglichkeiten vor:
- mit Etherpads, z.B. zumpad.de
- mit Zoom, vgl. zoom.us
- mit Teams, basierend auf einer Idee von Katarina Gromova
mit Etherpads
Alle Videos: Creative Commons-Lizenz, Quelle: #digifernunterricht, YouTube-Kanal von Philippe Wampfler
Ein motivierender Mix aus analogen und digitalen Lernangeboten
Guter Fernunterricht zeichnet sich auch durch einen vielfältige Mischung aus digitalen und analogen Aufgabenstellungen aus. Es wäre aus verschiedenen Aspekten der Gesundheitsförderung fatal, den Fernunterricht auf das Lösen von Aufgaben am digitalen Endgerät zu beschränken. Methoden- und Medienvielfalt sind Merkmale guten Unterrichts. Das gilt sowohl für den Präsenzunterricht wie auch den Fernunterricht. Vielmehr gilt es, mit attraktiven Aufgaben, die viele Sinne beim Bearbeiten ansprechen und handlungsorientiert gelöst werden können, auch Lernaktivitäten ohne digitale Unterstützung zu ermöglichen. Kreative Aufgabenstellungen, die analog angepackt werden können, sind in allen Fachbereichen möglich und sorgen für die wichtige Abwechslung und gute Mischung beim Fernlernen.
Einsatz von Apps und Webtools. Setzen Sie digitale Werkzeuge sparsam ein und nutzen Sie vor allem jene, welche die Schüler*innen bereits kennen und sicher handhaben können. Berücksichtigen Sie dabei, dass ein Tool auf verschiedenen Endgeräten Ihrer Schüler*innen funktionieren muss. Dies trifft vor allem auf browserbasierte Webtools, auf bereits vorinstallierte Office-Programme und Anwendungen auf Plattformen zu, auf die alle Lernende Zugang haben.
«Weg vom Bildschirm»: Kritische Gedanken von Adam Levine
Den Blogpost von Adam Levine finden Sie auf cogdogblog.com.
Mit Martin Lindner können Sie über twitter.com/martinlindner in Kontakt treten.
Sketchnote von Beatrix Winistörfer zur Folge «Weg vom Bildschirm».
Herzlichen Dank für die Publikationserlaubnis! beatrix-winistoerfer.ch
Videos unter Creative Commons-Lizenz, Quelle: #digifernunterricht, YouTube-Kanal von Philippe Wampfler
Projektlernen mit Lernprodukten
Im Präsenz- wie im Fernunterricht sind handlungs- und produktorientierte Lernformen besonders gut geeignet, um fachliche und überfachliche Kompetenzen im Verbund zu erwerben und zu zeigen. Geben Sie Ihren Schüler*innen Gelegenheit, in Projekten eigene Lern- und Medienprodukte herzustellen.
Die Bandbreite digitaler und analoger Lernprodukte ist ebenso vielfältig wie für Lernende attraktiv. Schüler*innen können mit Erklärvideos anderen ihre Lösungswege erklären, verschiedene Arten von E-Books (interaktive Bücher, Reiseführer oder Flyers) gestalten, einen eigenen Podcast aufnehmen, einen Blog schreiben oder eine Website herstellen.
Präsentations-, Projekt-, Themen- und Lernportfolios öffnen das Spektrum an Möglichkeiten, wie Arbeitsergebnisse gezeigt, Projekte präsentiert, Erkundungsaufgaben dokumentiert und Kompetenzen in Handlungsproben sichtbar werden:
Projektlernen mit Lernprodukten
Den Blogpost von Lisa Rosa sollten Sie unbedingt lesen. Sie verweist auf diese lohnende Dokumentation eines Projektlernprozesses.
Alle Videos: Creative Commons-Lizenz, Quelle: #digifernunterricht, YouTube-Kanal von Philippe Wampfler
Praxisbeispiele
… für das Lernen zuhause und in der Schule! Hier finden Sie eine stetig wachsende Sammlung von originellen, alltagsbezogenen, motivierenden und kreativen offenen Aufgaben. Lernpakete, die sich direkt an Kinder und Jugendliche richten und Freude am Lernen vermitteln. Mit hilfreichen Hinweisen für Lehrer*innen.