IQES-Wirkungsmodell der Guten Gesunden Schule:

Das IQES-Modell orientiert sich an Erfolgsfaktoren einer lernenden Schule: kooperativ arbeitende Unterrichtsteams, Fokus auf Lernerfolg und eigenverantwortlichem Lernen, gemeinsame Werte und Regeln, gegenseitige Hilfe und soziale Unterstützung, mitarbeiterorientierte Führung, hohe Eigenverantwortung für Lehrkräfte, Feedbackkultur und nützliche Selbstevaluation

IQES-Modell Gute Gesunde Schule
aus Brägger et al: Bewegung und Lernen, S. 19

Das »Zwiebelschalenmodell« der Guten Gesunden Schule umfasst vier Handlungsebenen mit je zwei Elementen. Hinzu kommt ein gemeinsamer Fokus, auf den sich alle Elemente beziehen, nämlich das gemeinsame Ziel einer hohen Bildungsqualität aller Lernenden. Das Modell wird um ein wichtiges Element ergänzt, die Kooperation mit Partnern der Schule.

Das IQES-Modell der Guten Gesunden Schule (Brägger/Posse 2007, 2017) entwickelt die Bereiche einer Schule systematisch und kontinuierlich weiter, in die gesundheitsbezogene Ansätze hineinwirken und die selbst einen Einfluss auf die Entwicklung psychosozialer Schutzfaktoren und auf die Leistungsbereitschaft und -fähigkeit nehmen. Ziel dieser systematischen Entwicklung ist es, den Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule effektiver (»next practice«) zu erfüllen. Durch den Aufbau salutogener Faktoren (gemeinsame Überzeugungen und Werte, hilfreiche Unterstützung, konstruktives Feedback, mitarbeiterorientierte Führung) verändert die Gute Gesunde Schule ihre »innere Struktur«. Diese Faktoren stärken die Lehrpersonen im Wissen darum, dass die wichtigste Ressource der Schule kompetente, motivierte und gesunde Lehrerinnen und Lehrer sind. Gute Gesunde Schulen scheinen nach dem Motto zu handeln: »Probleme sind unsere Freunde. Probleme sind unvermeidlich, aber es ist tröstlich zu wissen, dass man ohne sie nicht lernen oder erfolgreich sein kann« (Michael Fullan 1999).  Gute Gesunde Schulen sind entwicklungs- und lernfähig.

Sie sind schülerzentriert und pädagogisch in dem Sinne, dass Lehrende sich immer auch als Lernende verstehen und dass Schülerinnen und Schüler darin bestärkt werden, selbst Verantwortung für das Schulleben und das Lernen zu übernehmen. Gute Gesunde Schulen orientieren sich an Stärken und Lösungen, ohne deswegen die Risikofaktoren der Arbeit in Schulen zur vernachlässigen: verdichtete Arbeit, vielfältige und widersprüchliche Ansprüche an die Arbeit von Lehrpersonen, diffuse Indikatoren für gute pädagogische Arbeit, hohe Interaktionsdichte im Unterricht, Lärm, wenig Gelegenheiten zur Stressregulierung im Arbeitsalltag, häufige Störungen und stresserzeugende Ereignisse, innere Antreiber, überhöhte Ansprüche an sich selbst, Vernachlässigung eigener Bedürfnisse, Verdrängung von Konflikten u.a.m.

Gute Gesunde Schulen gehen die äußeren Risikofaktoren, die in den Rahmenbedingungen und Verhältnissen des Arbeitsplatzes Schule liegen, ebenso an wie innere Gefährdungen, die bei den einzelnen Lehrpersonen und ihrem Arbeitsverhalten liegen. Nur resiliente Lehrkräfte, die Vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten haben und Vertrauen schaffen können, können Schülerinnen und Schülern nützen. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, die gesundheitlichen Belange der Lehrkräfte ernst zu nehmen und als einen Ausgangspunkt zu nutzen, um Schule so zu gestalten, dass sie Gesundheit erhält.

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Die Elemente des IQES-Modells

Das IQES-Modell setzt sich aus acht schulinternen Elementen zusammen. Diese Elemente einer salutogenen und lernorientierten Qualitätsentwicklung haben sich alle in der Praxis innovativer Schulen sehr bewährt. Sie verbinden Unterrichtsentwicklung und Gesundheitsförderung, Evaluation und Feedback zu einem wirkungsvollen unterrichtszentrierten Qualitätsmanagement. Das Zusammenspiel der acht nachfolgend skizzierten Handlungsfelder ist darauf ausgerichtet, die Kräfte und beschränkten Arbeitsressourcen der Lehrpersonen auf ihren Kernauftrag zu konzentrieren: auf eine effektive und nachhaltige Förderung der Lernprozesse und -ergebnisse der Schülerinnen und Schüler. Das heißt auf selbstreguliertes und kooperatives Lernen als fundamentale Entlastungsfaktoren für Lehrende.

1. Eigenverantwortliches Lernen

In diesem Handlungsfeld geht es darum, Lernangebote zu schaffen, in denen Schülerinnen und Schüler selbst Verantwortung für ihr Lernen übernehmen. Die Lehrpersonen setzen offene Unterrichtsformen ein, die es den Lernenden ermöglichen, eigene Lernwege zu gehen und in wachsender Selbstverantwortung die persönlichen Lernprozesse zu steuern. Dazu gehören Unterrichtsarrangements, die den Kindern und Jugendlichen Freiheiten eröffnen, Aufgaben auszuwählen und die von den Lehrplänen vorgegebenen Ziele auf unterschiedlichen Wegen zu erreichen: Stationenlernen, Werkstattunterricht, Planarbeit, Projektarbeit, Freiwahlarbeit und Freie Arbeit. In sach- und altersgerechter Form können sich die Lernenden so mit Ideen und Vorschlägen an der Gestaltung des Unterrichts beteiligen.

 

2. Aufbau von Kompetenzen

Mit kompetenzorientiertem Unterricht geht eine veränderte Sichtweise von Unterricht einher. Lehrerinnen und Lehrer verstehen Lernen verstärkt als aktiven, selbstgesteuerten, reflexiven, situativen und konstruktiven Prozess. Es geht dabei um die Anwendbarkeit von Wissen, Fertigkeiten und Fähigkeiten. Nachhaltiger Kompetenzerwerb ist darauf angewiesen, dass Schülerinnen und Schüler im Unterricht die Möglichkeit haben, vielgestaltige Lernerfahrungen zu machen. Praktisches Tun und eigenständiges Lernen sind für das »Be-greifen« einer Sache und den Erwerb von Handlungsfähigkeiten zentral. Mit den Aufgaben, die den Lernenden gestellt werden oder die sie sich selbst stellen, werden der Grad der Auseinandersetzung mit dem Lerngegenstand und die Intensität der Lernprozesse bestimmt.

 

3. Guter Unterricht

Zentrale Herausforderung aller Lehrpersonen ist heute die Gestaltung eines lernwirksamen Unterrichts mit heterogenen Schülergruppen. Guter Unterricht kann auf verschiedene, jedoch keineswegs auf beliebige Weise verwirklicht werden. Er beruht auf breit untersuchten und anerkannten Qualitätsmerkmalen. Guter Unterricht ist motivierend, leistungswirksam und entwicklungsfördernd. Guter Unterricht unterstützt das aktive Lernen und den Kompetenzerwerb der Schülerinnen und Schüler.

 

4. Individual-Feedback

Gute Schulen «leben» davon, dass jede Lehrperson an ihrer professionellen und persönlichen Weiterentwicklung kontinuierlich arbeitet. Indem Lehrpersonen regelmässig ihre eigene Arbeit reflektieren, Feedback einholen und sich in Teams an der Weiterentwicklung des Unterrichts beteiligen, leisten sie einen unverzichtbaren Beitrag zur Qualität der Schule und zur Qualität der eigenen Arbeit. Persönliche Reflexion ist eine der wichtigsten Ressourcen für eine lernende und Gesundheit erhaltende Berufspraxis. Der schrittweise Aufbau einer
Feedbackkultur in der Schule ist ein wesentlicher Beitrag zur Gesundheitsförderung und Professionalisierung. Das Individualfeedback erlaubt den Lehrpersonen, den Wirkungen ihres Handelns, ihren Stärken und Schwächen auf die Spur zu kommen. Im Fokus steht also nicht die Schule, sondern immer die einzelne Lehrperson und das Lernen der Schülerinnen und Schüler. Erfahrungen aus der Unterrichtspraxis und Erkenntnisse aus der Unterrichtsforschung belegen deutlich: Regelmäßiges Feedback ist ein höchst wirksames Mittel, um eine neue Unterrichts- und Zusammenarbeitskultur aufzubauen. Feedback ist – richtig angewendet – optimal geeignet, die Qualität des Unterrichtens und des Lernens weiterzuentwickeln.

 

5. Arbeit in Unterrichtsteams

Unterrichtsteams sind kollegiale Lern- und Arbeitsgemeinschaften, welche die Qualität der individuellen Arbeit der Teammitglieder verbessern und Feedback als Mittel des persönlichen Lernens nutzen wollen. Sie funktionieren als kleine arbeitsfähige Gruppen von Lehrpersonen, die den Unterricht für die Schülerinnen und Schüler einer Stufe, eines Jahrgangs und/oder eines Fachs miteinander planen, (teilweise) durchführen und auswerten. Vorrangige Ziele sind, das Lernen von Schülerinnen und Schülern besser zu verstehen und sich mit dem eigenen Unterricht konstruktiv kritisch auseinanderzusetzen. Unterrichtsteams tauschen sich daher über Fragen zur Unterrichtsqualität aus und erarbeiten ein gemeinsames Repertoire an schüleraktivierenden Lernaufgaben, Medien, Methoden und Beurteilungsformen.

 

6. Kooperative Unterrichtsentwicklung

In Unterrichtsteams lernen Lehrpersonen voneinander, miteinander und füreinander. In kollegialen Weiterbildungen erweitern und vertiefen die Lehrpersonen ihre methodisch-didaktischen Kompetenzen. Ziel dieser Weiterbildungen ist die Gestaltung eines kompetenzorientierten Unterrichts, der produktiv mit Vielfalt umgehen kann und kognitiv und sozial aktivierende Lernformen bedürfnisgerecht fördert. Erste Vereinbarungen in den Unterrichtsteams und der Transfer in den eigenen Unterricht sind Teile dieser Weiterbildungen. Gegenstand der Weiterbildungen sind jedoch nicht einfach Unterrichtsrezepte, sondern es geht um wichtige Fragen eines kompetenzorientierten Unterrichts: Wie können Lernende produktiv allein und in Gruppen arbeiten? Wie kann die Selbstwirksamkeit der Lernenden gefördert werden? Wie kann ich als Lehrperson alle Schülerinnen und Schüler im Unterricht aktivieren, produktiv zusammenarbeiten lassen und gleichzeitig das soziale Miteinander fördern? Wie können Lernende gute fachliche Leistungen erbringen und gleichzeitig ihre sozialen, methodischen und personellen Kompetenzen weiterentwickeln.

 

7. Schulführung und Personalentwicklung

Der Schulleitung kommt bei der Entwicklung Guter Gesunder Schulen eine Schlüsselrolle zu. Sie sorgt für pädagogische Ziele, die sich auf das eigenverantwortliche Lernen und die Förderung der Schülerkompetenzen auswirken. Sie unterstützt die Zusammenarbeit in Unterrichtsteams und fördert eine Schulkultur, in der Selbstreflexion, Beteiligung und Selberlernen viel Raum einnehmen. Die Schulleitung fördert den Aufbau einer innerschulischen Feedback- und Evaluationskultur. Sie fördert die Selbstentwicklung aller Mitglieder der Schulgemeinschaft durch eine Praxis der Anerkennung und Nutzung ihrer Ressourcen und Kompetenzen. Maßnahmen der Personalentwicklung unterstützen Lehrerinnen und Lehrer darin, die Anforderungen ihres Berufs kompetent zu bewältigen. Diese Maßnahmen fördern insbesondere berufliche Kernkompetenzen, die es den Lehrpersonen erlauben, ihren Beruf – auch unter schwierigen Bedingungen – erfolgreich auszuüben und dabei gesund zu bleiben sowie die Motivation als wichtige und unersetzbare Ressource zu erhalten und zu fördern.

8. Schule als Lern- und Lebensraum

Gestaltete Lernumgebungen erfüllen in erster Linie eine pädagogische Funktion: Sie stehen im Dienst des alltäglichen Zusammenlebens und gemeinsamen Lernens in der Schule. Lernende und Lehrende erleben die Schule als einen Lebensort, an dem sie sich wohlfühlen und unterschiedlichen Bedürfnissen nachgehen können. Die Schülerarbeitsplätze und Schulräume werden unter Mitwirkung der Lernenden als altersgerechte Lernumgebungen gestaltet, welche die Schülerinnen und Schüler stimulieren und zu selbstständigem Lernen und Arbeiten herausfordern. Dem Schulklima und einer stärkenorientierten Schulkultur wird gemeinsam Sorge getragen.